Ein Abwicklungsvertrag ist eine arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nach Ausspruch einer Kündigung regelmäßig durch den Arbeitgeber vorgeschlagen wird. Anders als beim Aufhebungsvertrag ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst nicht mehr Gegenstand der Vereinbarung; die Wirksamkeit der Kündigung wird dadurch grundsätzlich nicht begründet, sondern allenfalls faktisch akzeptiert bzw. bestätigt. Der Abwicklungsvertrag regelt vielmehr die Rechtsfolgen der Kündigung, etwa Abfindung, Freistellung, Zeugnis oder den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage.
In der Praxis wird der Abwicklungsvertrag häufig auch als Abwicklungsvereinbarung bezeichnet. Beide Begriffe werden synonym verwendet. Typischer Anwendungsfall ist der Abwicklungsvertrag nach Kündigung durch den Arbeitgeber, insbesondere bei betriebsbedingten oder personenbedingten Kündigungen.
Einordnung im Arbeitsrecht
Der Abwicklungsvertrag ist von anderen Formen der Beendigung klar abzugrenzen:
- Kündigung: einseitige Beendigungserklärung des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers
- Aufhebungsvertrag: einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vertrag
- Abwicklungsvertrag: vertragliche Regelung der Folgen einer bereits ausgesprochenen Kündigung
Kennzeichnend ist, dass der Arbeitnehmer im Abwicklungsvertrag regelmäßig die Kündigung akzeptiert und im Gegenzug bestimmte Leistungen erhält. Häufig wird zugleich ein Klageverzicht vereinbart, um Rechtssicherheit zu schaffen.
Kernpunkte eines Abwicklungsvertrags
Ein Abwicklungsvertrag kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Typische Kernelemente sind:
- Ausgangslage: bereits ausgesprochene und rechtlich noch überprüfbare Kündigung
- Zweck: abschließende Regelung der Beendigungsfolgen
- Rechtsnatur: schuldrechtlicher Vertrag
- Gestaltungsspielraum: weitgehend frei, keine gesetzliche Typisierung
- Risiko: mögliche Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
Der Abwicklungsvertrag dient damit vor allem der Konfliktvermeidung und der Planbarkeit für beide Seiten.
Was wird in einem Abwicklungsvertrag geregelt?
Der Inhalt eines Abwicklungsvertrags ist verhandelbar. In der Praxis finden sich jedoch regelmäßig bestimmte Regelungskomplexe.
Typische Regelungsinhalte
- Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage (faktische Akzeptanz der Kündigung)
- Bestätigung des Beendigungsdatums
- Abfindung, sofern eine solche vereinbart wird
- Freistellung von der Arbeitsleistung (widerruflich oder unwiderruflich)
- Urlaubs- und Überstundenregelungen (Gewährung oder Abgeltung)
- Arbeitszeugnis, Art, Inhalt und Zeitpunkt der Erteilung
- Rückgabe von Arbeitsmitteln (Dienstwagen, Laptop, Unterlagen)
- Verschwiegenheits- oder Wettbewerbsregelungen
- Ausgleichs- bzw. Erledigungsklausel, mit der – soweit rechtlich zulässig – sämtliche bekannten gegenseitigen Ansprüche als erledigt gelten
Ein gesetzlicher Anspruch auf bestimmte Inhalte – insbesondere auf eine Abfindung – besteht nicht. Gerade deshalb ist die individuelle Verhandlung des Abwicklungsvertrags von erheblicher Bedeutung.
Abfindung im Abwicklungsvertrag
Eine Abfindung ist kein zwingender Bestandteil eines Abwicklungsvertrags. In der Praxis wird sie jedoch häufig vereinbart, insbesondere als Gegenleistung für den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
Die Höhe der Abfindung richtet sich nach verschiedenen Faktoren, unter anderem:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage
- Wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers
- Verhandlungsposition der Parteien
Ein gesetzlicher Automatismus besteht nicht. Ohne ausdrückliche Vereinbarung entsteht kein Abfindungsanspruch.
Abwicklungsvertrag und Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
Ein zentraler Risikofaktor ist die mögliche Sperrzeit beim Bezug von . Die Agentur für Arbeit prüft, ob der Arbeitnehmer durch den Abschluss des Abwicklungsvertrags – insbesondere durch den Verzicht auf rechtlicheAbwehrmöglichkeiten – seine Beschäftigungslosigkeit mitverursacht oder vertieft hat.
Problematisch können insbesondere folgende Punkte sein:
- Vereinbarung eines Klageverzichts
- Zahlung einer Abfindung im Zusammenhang mit einem Klageverzicht
- Fehlender wichtiger Grund im sozialrechtlichen Sinne (§ 159 SGB III)
Ob eine Sperrzeit verhängt wird, hängt stets vom Einzelfall ab. Pauschale Aussagen sind nicht möglich. Für Arbeitnehmer kann eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen erhebliche finanzielle Nachteile haben.
Fallbeispiel: Abwicklungsvertrag nach Kündigung
Ein Arbeitnehmer ist seit acht Jahren in einem Unternehmen beschäftigt. Aufgrund einer Umstrukturierung kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt.
Der Arbeitnehmer erwägt, Kündigungsschutzklage zu erheben. Um einen Rechtsstreit zu vermeiden, schlägt der Arbeitgeber den Abschluss eines Abwicklungsvertrags vor.
Zentrale Inhalte der Vereinbarung
- Anerkennung der Kündigung zum festgelegten Beendigungsdatum
- Zahlung einer Abfindung
- Unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung
- Qualifiziertes Endzeugnis mit wohlwollender Bewertung
- Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage
Ergebnis
Beide Parteien erreichen Planungssicherheit. Der Arbeitgeber vermeidet ein gerichtliches Verfahren, der Arbeitnehmer erhält eine Abfindung und ein gutes Zeugnis. Gleichzeitig bleibt das Risiko einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld bestehen.
Warum es sinnvoll sein kann, einen Abwicklungsvertrag abzuschließen
Ein Abwicklungsvertrag kann – bei sachgerechter Gestaltung – Vorteile für beide Seiten bieten.
Vorteile für Arbeitnehmer:
- Rechtssicherheit hinsichtlich Abfindung, Zeugnis und Beendigungsmodalitäten
- Vermeidung eines langwierigen Kündigungsschutzprozesses
- Möglichkeit, Einfluss auf die Ausgestaltung der Beendigung zu nehmen
- Zeitliche und emotionale Entlastung
Vorteile für Arbeitgeber:
- Absicherung der Kündigung durch Klageverzicht
- Kalkulierbarkeit der Kosten
- Schnelle und konfliktarme Beendigung
- Reduzierung prozessualer Risiken
Demgegenüber stehen mögliche Nachteile, insbesondere die Gefahr einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.
Fazit
Der Abwicklungsvertrag ist ein wichtiges Instrument zur einvernehmlichen Regelung der Folgen einer Kündigung. Er bietet sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern die Möglichkeit, Rechtssicherheit zu schaffen und Konflikte zu vermeiden. Gleichzeitig ist er rechtlich anspruchsvoll und kann insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Sperrzeit beim Arbeitslosengeld erhebliche Konsequenzen haben.
Arbeitnehmer sollten einen Abwicklungsvertrag daher nicht vorschnell unterzeichnen, sondern die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen sorgfältig prüfen. Eine fachkundige Beratung ist regelmäßig sinnvoll, um Nachteile zu vermeiden und die eigenen Interessen angemessen zu wahren.
FAQ – Häufige Fragen zum Abwicklungsvertrag
Worin liegt der Unterschied zwischen einem Abwicklungsvertrag und einem Aufhebungsvertrag?
Der entscheidende Unterschied liegt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und in der rechtlichen Wirkung. Ein Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis unmittelbar durch eine einvernehmliche Vereinbarung. Ein Abwicklungsvertrag wird hingegen erst nach Ausspruch einer Kündigung geschlossen und regelt ausschließlich die Folgen der Beendigung, etwa Abfindung, Arbeitszeugnis oder Klageverzicht.
Ist für einen Abwicklungsvertrag die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben?
Eine gesetzliche Schriftform ist für den Abwicklungsvertrag grundsätzlich nicht vorgeschrieben, solange der Vertrag ausschließlich die Folgen einer Kündigung regelt und nicht selbst die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführt. Gleichwohl ist der schriftliche Abschluss aus Gründen der Rechtssicherheit dringend zu empfehlen.
Wird in einem Abwicklungsvertrag automatisch eine Abfindung vereinbart?
Nein. Ein Anspruch auf eine Abfindung besteht beim Abwicklungsvertrag nicht automatisch. Ob eine Abfindung vereinbart wird, hängt allein vom Verhandlungsergebnis der Parteien ab.
Führt der Abschluss eines Abwicklungsvertrags zwingend zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?
Der Abschluss eines Abwicklungsvertrags führt nicht zwingend zu einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld I. Die Agentur für Arbeit prüft im Einzelfall, ob der Arbeitnehmer durch den Vertrag – insbesondere durch einen Klageverzicht ohne wichtigen Grund – seine Beschäftigungslosigkeit sozialrechtlich mitverursacht hat. Je nach Sachlage kann eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen eintreten.

