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Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen – Ein rechtlicher Überblick

Die Frage, ob wiederholte Kurzerkrankungen eines Arbeitnehmers eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat sich in seinem Urteil vom 07.05.2024 (Az. 5 Sa 56/23) mit dieser Frage auseinandergesetzt. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Voraussetzungen und Implikationen einer personenbedingten Kündigung aufgrund häufiger Kurzerkrankungen.

Der Fall vor dem LAG

Im vorliegenden Fall war der Kläger seit 2006 als Maschinenbediener bei der Beklagten beschäftigt. Zwischen 2018 und 2021 fiel der Kläger aufgrund verschiedener Erkrankungen immer wieder mit Fehlzeiten von 40 bis 44 Arbeitstagen pro Jahr krankheitsbedingt aus. Im Jahr 2020 beliefen sich die Fehlzeiten auf 33 Arbeitstage. Diese wiederkehrenden Ausfälle führten zu erheblichen Entgeltfortzahlungskosten und betrieblichen Störungen bei der Beklagten. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats ordentlich fristgerecht zum 30.06.2023. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage mit der Begründung, dass seine Beschwerden ausgeheilt seien und daher keine negative Gesundheitsprognose vorliege.

Rechtlicher Rahmen

Nach § 1 II KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt und somit unwirksam, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Häufige Kurzerkrankungen können einen solchen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen. Dies gilt jedoch nur, wenn im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose vorliegt, die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Abläufe führen und diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber unter Abwägung mit dem Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung nicht mehr hingenommen werden müssen.

Die negative Gesundheitsprognose

Wenn in den letzten Jahren mehrere Kurzerkrankungen aufgetreten sind, deutet dies darauf hin, dass sich dieses Krankheitsbild auch in Zukunft fortsetzen wird, es sei denn, die Erkrankungen sind vollständig ausgeheilt. Für diese negative Gesundheitsprognose ist nach der Rechtsprechung in der Regel ein Zeitraum von 3 Jahren maßgeblich. Anhand der Fehlzeiten in diesem Zeitraum kann auf die zukünftige Entwicklung geschlossen werden. Häufige (Kurz-)Erkrankungen in diesem Zeitraum sprechen demnach für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes. Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten. Fehlzeiten, die auf einmalige Ereignisse zurückzuführen sind oder durch erfolgreich durchgeführte Therapiemaßnahmen wie beispielsweise eine Operation beseitigt wurden, können keine Grundlage für eine künftige negative Prognose bieten. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Kündigung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Kündigungserklärung. Die Tatsachen, die die negative Gesundheitsprognose stützen, müssen also im Kündigungszeitpunkt vorliegen.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigte das Urteil der Vorinstanz und stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Kündigung aufgrund der vorliegenden Fehlzeiten von jährlich mehr als 6 Wochen weitere erhebliche Krankheitsausfälle zu erwarten waren und somit eine negative Gesundheitsprognose vorlag.

Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen

Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen liegt vor, wenn der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung für jeweils mehr als 6 Wochen im Jahr zu leisten hatte und voraussichtlich zukünftig zu leisten hat. Im vom LAG entschiedenen Fall war die Beklagte gezwungen, durchschnittlich für 40,6 Arbeitstage pro Jahr Entgeltfortzahlung zu leisten. Dies brachte einen erheblichen organisatorischen Aufwand sowie zusätzliche Kosten mit sich. Neben der Entgeltfortzahlung musste zusätzlich der Arbeitsplatz des Klägers jedes Mal kurzfristig durch eigene Arbeitskräfte oder durch Leiharbeitnehmer neu besetzt werden, wodurch die betrieblichen Abläufe erheblich gestört wurden. Danach nahm das LAG in dem konkreten Fall eine erhebliche Beeinträchtigung der Beklagten an.

Die Verhältnismäßigkeit der Kündigung

Eine auf Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, gestützte Kündigung ist unverhältnismäßig, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Das Vorliegen milderer Mittel muss geprüft werden. Hierunter können die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Versetzung auf eine andere Position fallen. Im vorliegenden Fall führten ein durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement nicht zu einer Verringerung der Fehlzeiten. Da der Kläger außerdem nicht ausschließlich an einem Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes eingesetzt war, war auch eine Versetzung nach Ansicht des LAG nicht erfolgsversprechend.

Die Abwägung durch das LAG

Das Gericht hat die Berufung des Klägers auch im Hinblick auf eine Abwägung der Interessen der Parteien abgelehnt. Trotz der fast 17-jährigen Beschäftigungszeit verlief das Arbeitsverhältnis in den letzten 5 Jahren nicht störungsfrei. Das Gericht stellt auch auf die deutliche Abweichung der Fehlzeiten des Klägers von den durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten im Werk der Beklagten ab.

Fazit

Das Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern stellt klar, dass häufige Kurzerkrankungen eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen können. Dies jedoch nur unter strenger Beachtung der rechtlichen Vorgaben. Für Arbeitgeber ist es entscheidend, eine sorgfältige Dokumentation der Fehlzeiten vorzunehmen und eine fundierte Gesundheitsprognose zu erstellen. Die Verhältnismäßigkeit der Kündigung muss gewährleistet sein, indem alternative, mildere Maßnahmen, wie eine Versetzung, geprüft werden. Eine gut vorbereitete und rechtlich abgesicherte Entscheidung hilft, das Risiko arbeitsrechtlicher Konflikte zu minimieren und das Unternehmen zu schützen.

Für alle Fragen rund um das Thema Kündigung stehen wir, die Rechtsanwälte Wagner + Gräf, Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Ein Beitrag von Moritz Schulte, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht.

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