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Datierung von Arbeitszeugnissen: Zwischen Rechtsprechung und gelebter Praxis

Die Bestimmung des richtigen Datums eines Arbeitszeugnisses kann in der arbeitsrechtlichen Praxis immer wieder Fragen aufwerfen. Häufig wird empfohlen, das Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzugeben. Auch unser Beitrag zur äußeren Form von Arbeitszeugnissen folgt dieser Auffassung. Weniger bekannt ist hingegen, dass auch das tatsächliche Ausstellungsdatum zulässig sein kann – ein Aspekt, der in der juristischen Diskussion seit Langem umstritten ist und regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen ist.

Pro Ausstellungsdatum

Am 05.12.2024 hatte das Landesarbeitsgericht Köln (Az. 6 SLa 25/24) erneut über die Frage zu entscheiden, ob ein Arbeitszeugnis rückdatiert werden kann. Die Klägerin begehrte von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses mit dem Datum der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – rund 8 Wochen vor dem tatsächlichen Ausstellungsdatum. Wie bereits die Vorinstanz wies das LAG Köln die Klage ab. Zur Begründung verwies das Gericht auf den Grundsatz der Zeugniswahrheit, wonach das Ausstellungsdatum dem tatsächlichen Zeitpunkt der Zeugniserstellung entsprechen muss. Das Argument der Klägerin, potenzielle neue Arbeitgeber könnten aus einer zeitlichen Abweichung zwischen Beendigungsdatum und Ausstellungstag auf eine gerichtliche Auseinandersetzung schließen, ließ das Gericht nicht gelten. Eine verzögerte Ausstellung des Zeugnisses könne vielfältige Ursachen haben; ein Zeitraum von 8 Wochen sei nicht geeignet, zwingend auf einen Streit zwischen den Parteien schließen zu lassen.

Mit seiner Entscheidung folgt das Landesarbeitsgericht Köln der gefestigten Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte. Bereits das Bundesarbeitsgericht betonte in einem Urteil aus dem Jahr 2016 (Az. 9 AZR 8/15), dass ein Arbeitszeugnis in erster Linie wahrheitsgemäß sein muss. Der ebenfalls anerkannte Grundsatz, wonach ein Zeugnis dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers nicht entgegenstehen darf, kann nur im Rahmen der Zeugniswahrheit berücksichtigt werden.

Pro Beendigungsdatum

Ein früherer Beschluss des LAG Köln vom 27.03.2020 (Az. 7 Ta 200/19) wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich zur aktuellen Entscheidung desselben Gerichts. Anlass für die Entscheidung war ein gerichtlicher Vergleich, der der Arbeitnehmerin das Recht einräumte, einen Zeugnisentwurf mit dem Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzulegen. Davon durfte die Arbeitgeberin nur aus „wichtigem Grund“ abweichen. Sie erteilte das Zeugnis jedoch mit einem späteren Datum und verwies zur Begründung auf das Gebot der Zeugniswahrheit.

Im Zentrum der rechtlichen Bewertung steht somit die Frage, ob die Verwendung des Beendigungsdatums im Zeugnis tatsächlich einen Verstoß gegen das Gebot der Zeugniswahrheit darstellt. Hierzu ist festzuhalten, dass es gängiger arbeitsrechtlicher Praxis entspricht, Arbeitszeugnisse auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu datieren. Diese Vorgehensweise wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausdrücklich gebilligt, da sie Rechtssicherheit schafft und Spekulationen über mögliche Streitigkeiten zwischen den Parteien entgegenwirkt. Zudem entspricht eine derartige Ausstellung der Logik des Geschehens: Da ein Zeugnis die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers innerhalb des bestehenden Arbeitsverhältnisses bewertet, stellt der Tag der Beendigung zugleich den letzten relevanten Beurteilungszeitpunkt dar.

Das Gericht verneinte daher im konkreten Fall einen „wichtigen Grund“ für die Abweichung. Auch wenn das Zeugnis nachträglich ausgestellt wurde, war das Datum im Zeugnis sachlich gerechtfertigt und mit dem Gebot der Zeugniswahrheit vereinbar.

Sonderfall: zweites Zeugnis

Die rechtliche Bewertung der Datierung von Arbeitszeugnissen ändert sich, wenn nicht nur ein einzelnes, sondern bereits ein zweites Zeugnis aus demselben Arbeitsverhältnis erstellt wurde. In solchen Fällen hat sich seit den frühen 1990er-Jahren eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt: Arbeitgeber sind grundsätzlich verpflichtet, das zweite Zeugnis auf das Datum des ersten Zeugnisses zurückzudatieren.

Diese Linie stützt sich unter anderem auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.09.1992 (Az. 5 AZR 509/91). Anwendung findet sie jedoch ausschließlich in Konstellationen, in denen zunächst ein Arbeitszeugnis – etwa im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – erteilt wurde und später ein weiteres Zeugnis mit geänderten inhaltlichen Angaben und abweichendem Ausstellungsdatum folgt. Ein allgemeiner Anspruch auf Rückdatierung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lässt sich daraus hingegen nicht ableiten.

Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass diese Vorgehensweise mit dem Grundsatz der Zeugniswahrheit in Einklang steht. Wäre das erste Zeugnis ordnungsgemäß erstellt worden, hätte der Arbeitnehmer ein Dokument mit dem ursprünglichen Datum erhalten. Bei einer späteren, freiwillig vorgenommenen inhaltlichen Änderung durch den Arbeitgeber – etwa zur Verbesserung des Wortlauts – ist daher eine Rückdatierung auf das Datum des ersten Zeugnisses geboten. Eine solche Rückdatierung benachteiligt den Arbeitgeber nicht, insbesondere wenn dieser das ursprüngliche Zeugnis ohnehin zum früheren Zeitpunkt hätte ausstellen wollen.

Zugleich trägt das Gericht den praktischen Auswirkungen Rechnung: Liegen mehrere Monate zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Ausstellung eines zweiten Zeugnisses, kann eine spätere Datierung beim neuen Arbeitgeber den Eindruck einer Auseinandersetzung oder anderer Schwierigkeiten vermitteln und damit dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers entgegenstehen.

Anders stellt sich die Lage dar, wenn die verspätete Ausstellung des zweiten Zeugnisses auf ein Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen ist. In solchen Fällen – etwa bei unterlassener Anforderung oder verspäteter Geltendmachung – besteht kein Anspruch auf Rückdatierung. Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 11.01.2018 (Az. 2 Sa 332/17) ausdrücklich klargestellt.

Fazit

Abweichend von der verbreiteten Praxis ist es rechtlich zulässig, Arbeitszeugnisse mit dem tatsächlichen Ausstellungsdatum zu versehen. Eine Ausnahme gilt, wenn ein zuvor erteiltes Zeugnis auf freiwilliger Grundlage korrigiert und neu ausgestellt wird – in diesem Fall ist eine Rückdatierung auf das ursprüngliche Zeugnisdatum erforderlich.

Um spätere Unstimmigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, Fragen zur Datierung des Zeugnisses bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu klären und schriftlich zu dokumentieren. Auch wenn rechtlich keine Verpflichtung zur Rückdatierung besteht, kann eine freiwillige Ausstellung unter dem Beendigungsdatum zur Vermeidung von Konflikten beitragen. 

Ein Beitrag von Antonia Obert, juristische Mitarbeiterin unserer Kanzlei, und Moritz Schulte, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Autorin
Antonia Obert

Juristische Mitarbeiterin

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Ansprechpartner
Moritz Schulte - Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Arbeitsrecht

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