Jetzt anrufen unter

0931 32 10 10

Formerfordernisse im Arbeitsrecht – Erleichterungen durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV

Zum 01.01.2025 tritt das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist es, Bürokratie abzubauen. Hierzu wird unter anderem in vielen Bereichen das klassische Schriftformerfordernis durch die leichtere Textform oder die elektronische Form ersetzt. Dieser Beitrag erklärt, welche Änderungen das BEG IV für das Arbeitsrecht bringt.

Was sind Textform, Schriftform und elektronische Form?

Im deutschen Arbeitsrecht gilt grundsätzlich Formfreiheit. Bei wichtigen Dokumenten wie Kündigungen, Aufhebungsverträgen und Arbeitszeugnissen sind jedoch bestimmte Formerfordernisse einzuhalten. Diese regeln die Art und Weise – die äußere Form – wie ein Dokument erstellt und übermittelt werden muss, damit es rechtlich wirksam ist. Wird ein Formerfordernis nicht eingehalten, folgt daraus regelmäßig die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 125 S. 1 BGB. Durch Formerfordernisse sollen die Beteiligten u.a. auf die Bedeutung ihrer Erklärung hingewiesen werden und die Beweisführung erleichtert werden. Im Arbeitsrecht sind 3 Formen besonders wichtig:

  • Schriftform (§ 126 BGB): Das Dokument muss handschriftlich unterschrieben werden und auch in Papierform übermittelt werden. Eine digitale Unterschrift oder ein Einscannen des Dokumentes mit digitaler Übermittlung reicht nicht aus.
  • Elektronische Form (§ 126a BGB): Diese Form kann die Schriftform ersetzen, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wird. Diese Signatur wird durch ein zertifiziertes System erstellt, das die eindeutige Identifikation und Authentizität des Unterzeichners sicherstellt.
  • Textform (§ 126b BGB): Stellt eine vereinfachte Form dar, die keine eigenhändige Unterschrift verlangt. Es genügt eine gut lesbare Erklärung auf einem beständigen Datenträger (z. B. E-Mail), die den Aussteller erkennen lässt und den Abschluss der Erklärung klar kennzeichnet.

Die wichtigsten Änderungen durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV

Mit dem BEG IV werden zahlreiche gesetzliche Vorschriften im Arbeitsrecht modernisiert. Hier sind die zentralen Änderungen im Überblick:

  • Nachweisgesetz
    Bisherige Regelung: Arbeitgeber mussten die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederlegen, die Niederschrift unterzeichnen und dem Arbeitnehmer aushändigen.
    Neue Regelung: Die Nachweispflicht kann künftig in Textform erfüllt werden. Das Dokument muss für den Arbeitnehmer jedoch zugänglich, speicherbar und ausdruckbar sein. Zudem muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei der Übermittlung auffordern, einen Empfangsnachweis zu erteilen, z.B. über eine E-Mail mit Empfangsbestätigung. Die Übermittlung muss außerdem individuell erfolgen; eine allgemeine Bekanntmachung reicht nicht aus. Auch Änderungen der Arbeitsbedingungen, welche unter das Nachweisgesetz fallen, können in dieser modifizierten Textform mitgeteilt werden, sofern nicht ausdrücklich die Schriftform verlangt wird.
    Ausnahmen und Einschränkungen: Arbeitnehmer in den in § 2a Abs.1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes aufgeführten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen (z. B. Baugewerbe) müssen weiterhin schriftlich informiert werden. Außerdem ist auf Verlangen des Arbeitnehmers ein schriftlicher Nachweis zu erbringen.
  • Arbeitszeugnisse
    Bisherige Regelung: Zeugnisse mussten schriftlich ausgestellt werden. Elektronische Zeugnisse waren ausgeschlossen, §§ 630 S. 3 BGB, 109 Abs. 3 GewO.
    Neue Regelung: Zeugnisse können künftig mit Einwilligung des Arbeitnehmers in elektronischer Form ausgestellt werden, müssen aber eine qualifizierte elektronische Signatur enthalten.
    Einschränkungen: Die sich aus der qualifizierten elektronischen Signatur ergebende Zeitangabe kann bei der Rückdatierung eines Zeugnisses für den Arbeitnehmer ungünstig sein, denn das Datum des Zeugnisses könnte im Widerspruch zum Datum der Signatur stehen. Um diesen Wiederspruch bei der Datierung zu verhindern, muss das Zeugnis schriftlich ausgestellt werden. Das gleiche gilt auch für Zeugnisberichtigungen.
    Ausbildungszeugnisse müssen weiterhin schriftlich erteilt werden, § 16 Abs. 1 S. 1 BBiG. Ausnahme: Sofern der Auszubildende einwilligt, kann das Zeugnis nach § 16 Abs. 1 S. 2 BBiG auch in elektronischer Form erteilt werden.
  • Aushangpflicht des Arbeitszeitgesetzes
    Bisherige Regelung: Das Arbeitszeitgesetz musste physisch im Betrieb aushängen.
    Neue Regelung: Künftig können diese Informationen auch im Intranet oder über andere elektronische Plattformen veröffentlicht werden.
  • Elternzeit
    Bisherige Regelung: Der Antrag auf Elternzeit (§ 16 BEEG) und Teilzeitarbeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 7 BEEG) musste schriftlich gestellt werden. Eine Ablehnung musste der Arbeitgeber schriftlich begründen.
    Neue Regelung: Arbeitnehmer können ihre Anträge künftig in Textform einreichen (z.B. per E-Mail). Auch die Ablehnung des Antrags auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit kann in Textform erfolgen. Eine Ablehnung der Elternzeit muss jedoch weiterhin schriftlich begründet werden.
  • Pflegezeit und Familienpflegezeit
    Bisherige Regelung: Pflegezeit und Familienpflegezeit musste schriftlich angekündigt werden.
    Neue Regelung: Künftig kann die Ankündigung auch in Textform erfolgen.
  • Altersbefristung
    Bisherige Regelung: Altersbefristungen mussten schriftlich vereinbart werden. Altersbefristungen meinen Vereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug einer gesetzlichen Rente wegen des Alters endet. Ohne eine Altersbefristung läuft das Arbeitsverhältnis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze unverändert weiter.
    Neue Regelung: Für die Befristung bis zur Regelaltersgrenze genügt künftig die Textform.
    Hinweis: Diese Formerleichterung gilt ausschließlich für Altersbefristungen. Für alle anderen Befristungen ist weiterhin die Schriftform erforderlich.
  • Arbeitnehmerüberlassung
    Bisherige Regelung: Überlassungsverträge zwischen Verleihern und Entleihern mussten schriftlich abgeschlossen werden.
    Neue Regelung: Überlassungsverträge können künftig auch in Textform abgeschlossen werden (z.B. per E-Mail).

Wichtige Formerfordernisse, die unberührt bleiben

Einige Formerfordernisse im Arbeitsrecht bleiben unverändert bestehen. Dies sind:

  • Kündigungen und Aufhebungsverträge müssen weiter in Schriftform gefertigt werden, § 623 BGB.
  • Alle Befristungen, die keine Altersbefristungen sind, müssen weiter in Schriftform vereinbart werden, § 14 Abs. 4 TzBfG.

Fazit

Die neuen Formerleichterungen ermöglichen eine weitere Digitalisierung in Personalangelegenheiten. Sofern jedoch weiterhin die Schriftform gefordert ist, muss diese mit Blick auf die Wirksamkeit unbedingt eingehalten werden.

Für alle Fragen rund um das Thema Formerfordernisse im Arbeitsrecht stehen Ihnen die Rechtsanwälte Wagner + Gräf jederzeit zur Verfügung. 

Ein Beitrag von Rebekka Finnern, juristische Mitarbeiterin unserer Kanzlei, und Moritz Schulte, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Autorin
Rebekka Finnern

Juristische Mitarbeiterin

Rebekka Finnern

Juristische Mitarbeiterin

Ansprechpartner
Moritz Schulte - Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für
Arbeitsrecht

Moritz Schulte - Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für
Arbeitsrecht

Kontakt

0931 321010
Theaterstraße 1
97070 Würzburg