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Nicht vorschnell Entgeltfortzahlung leisten!

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1. Grundlagen

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, erhält er wegen der Erkrankung für die Dauer von längstens 6 Wochen Entgeltfortzahlung von seinem Arbeitgeber – so der Grundsatz des § 3 EFZG.

Dieser gesetzliche Anspruch ist auch dann auf die Dauer von 6 Wochen beschränkt, wenn während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (sog. Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von max. 6 Wochen entsteht bei einem Zusammentreffen von verschiedenen Krankheiten nur dann, wenn die 1. krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsunfähigkeit führte.

2. Entscheidung BAG

Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 11.12.2019 – 5 AZR 505/18, bestätigt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin war bis zum 31.07.2017 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 07.02.2017 war die Klägerin infolge eines psychischen Leidens arbeitsunfähig. Sie erhielt bis einschließlich 20.03.2017 Entgeltfortzahlung. In der Folgezeit attestierten die Hausärzte bis einschließlich 18.05.2017 eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit. Bis dahin erhielt die Klägerin Krankengeld. Am 19.05.2017 wurde die Klägerin wegen eines gynäkologischen Leidens operiert. Mit einer „Erstbescheinigung“ wurde der Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit vom 19.05. bis 16.06.2017 und einer Folgebescheinigung bis einschließlich 30.06.2017 bescheinigt. In der Zeit vom 19.05. bis 29.06.2017 erhielt die Klägerin weder Entgeltfortzahlung von der Beklagten, noch Krankengeld von der Krankenkasse.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 19.05. bis 29.06.2017 in Anspruch. Sie machte geltend, dass sie ab dem 19.05.2017 wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig war. Die Arbeitsunfähigkeit wegen der psychischen Erkrankung sei am 18.05.2017 beendet gewesen. Die Beklagte stützte sich auf einen einheitlichen Verhinderungsfall und verweigerte daher die weitere Entgeltfortzahlung. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte, wies das Landesarbeitsgericht (LAG) die Klage ab.

Die gegen das Urteil des LAG eingelegte Berufung der Klägerin war erfolglos. Fällt ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt aus und schließt sich an diese Erkrankung in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine weitere Arbeitsunfähigkeit, die ausdrücklich mit einer „Erstbescheinigung“ attestiert wird, an, trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast, dass die frühere Arbeitsunfähigkeit in dem Zeitpunkt beendet war, als die weitere Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Gelingt dies dem Arbeitnehmer, hat er einen Anspruch auf eine weitere Entgeltfortzahlung. Kann der Arbeitnehmer den Nachweis nicht führen, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Entgeltfortzahlung für die weitere Arbeitsunfähigkeit zu leisten.

3. Unsere Empfehlung

Angesichts dieser eindeutigen Entscheidung des BAG zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast tun Arbeitgeber gut daran, bei auffälligen „neuen“ Erkrankungen kurze Zeit nach einer Ersterkrankung, nicht vorschnell eine weitere Entgeltfortzahlung zu leisten. Anders ist die Situation jedoch dann zu beurteilen, wenn ersichtlich ist, dass die 1. Arbeitsunfähigkeit ausgeheilt ist und die weitere Erkrankung offensichtlich auf einem völlig anderen Grundleiden beruht.

Veröffentlichung in der IHK-Zeitschrift „Wirtschaft in Mainfranken“ 02.2020

Für weitergehende Informationen zum Arbeitsrecht stehen Ihnen die Rechtsanwälte Wagner + Gräf gerne zur Verfügung.

RA Moritz Schulte

Rechtsanwalt in Würzburg

09.02.2020

Moritz Schulte - Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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