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Neues Jahr – neue Ziel­vereinbarung?!

Viele Arbeitnehmer in verantwortungsvoller, führender und leitender Position haben als Teil ihres Gehalts erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile in Form einer Zielvereinbarung.

Anders als bei klar ermittelbaren, erfolgsabhängigen Vergütungen wie Umsatzbeteiligungen oder echte Tantiemen, die damit unverändert fortgeführt werden dürfen, ist es das Wesen von arbeitsvertraglichen, variablen Zielvereinbarungen, dass man sich mit dem Arbeitnehmer auf jährliche Ziele einigt. Diese sollte der Arbeitnehmer bis zum Ablauf des Zielerreichungszeitraums erfüllen können, um so die entsprechende Vergütung erhalten zu können. Die Ziele werden regelmäßig von den Parteien für bspw. ein Kalenderjahr oder, bei abweichendem Geschäftsjahr, für das Geschäftsjahr zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart. Die Vereinbarungen enthalten oft die Formulierung, dass sie für das jeweilige Jahr gelten sollen und dass danach eine neue Vereinbarung über eine variable Vergütung geschlossen werden soll, in der neue Ziele zwischen den Parteien festgelegt werden.

Was ist aber, wenn für ein kommendes Jahr nichts Neues vereinbart wird?

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist ein Arbeitgeber bei einem arbeitsvertraglich vereinbarten variablen Gehaltsbestandteil, der von der Erreichung zu vereinbarender Ziele abhängig ist, im Fall einer nicht zustande gekommenen Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 Satz 1, 252 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten, wenn er das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat (BAG, Urteil vom 12.12.2007 – 10 AZR 97/07; BAG, Urteil vom 12.05.2010 – 10 AZR 390/09; BAG, Urteil vom 17.12.2020 – 8 AZR 149/20, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Ein solcher Verstoß des Arbeitgebers löst jedenfalls nach Ablauf der Zielperiode nach § 280 Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 Satz 1 BGB grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch aus (vgl. BAG Urteil vom 12.12.2007 – 10 AZR 97/07).

Nach der Rechtsprechung liegt mithin beim Arbeitgeber, soweit vertraglich nichts anderes bestimmt ist, die Initiative, die Verhandlungen über die neue Zielvereinbarung rechtzeitig aufzunehmen, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen. Unterlässt der Arbeitgeber die Aufnahme der Verhandlungen, kann er sich später nicht auf den Standpunkt stellen, es wären ohnehin Ziele vorgegeben worden, die der Arbeitnehmer nicht erfüllt hätte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Ziele nicht einseitig vorgegeben werden, sondern Ergebnis einer Verhandlung sind und dass diese Ziele auch grundsätzlich erreichbar gewesen sind.

Unterlässt der Arbeitgeber also die Aufnahme der Verhandlungen und den Abschluss der Zielvereinbarung, kann er sich schadenersatzpflichtig machen. Dem Arbeitnehmer steht dann eine Prämie zu, unabhängig davon, ob er irgendwelche (fiktiven oder gar alten) Ziele erfüllt, da ja gerade keine neuen Ziele vereinbart wurden.

Unser Rat an Arbeitgeber zu Beginn des neuen Jahres lautet daher:

Ergreifen Sie rechtzeitig die Initiative und verhandeln Sie die vorgesehenen Zielvereinbarungen mit Ihren Mitarbeitern spätestens zu Beginn des Jahres, sodass die Ziele auch noch erreichbar sind – und denken Sie am besten auch zum Ablauf eines Jahres daran, dass bspw. anlässlich eines Gesprächs über die aktuelle Zielerreichung gleich auch über eine neue Zielvereinbarung für das darauffolgende Jahr verhandelt wird.

Unser Rat an Arbeitnehmer mit einer solchen Vergütungsvereinbarung:

Wenn Ihr Arbeitgeber nicht von sich aus auf Sie im Hinblick auf neue Ziele zukommt, können Sie, trotz der grundsätzlichen Initiative des Arbeitgebers, nicht einfach ein Zielerreichungsjahr ablaufen lassen. Das BAG sieht nämlich auch die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer sich ein Mitverschulden zurechnen lassen muss, wenn er schlicht nichts unternimmt (vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2020, 8 AZR 149/20), was Ihren Schadensersatzanspruch dann mindern kann.

Vertragsvereinbarungen über erfolgsabhängige Bestandteile unterliegen der vollen AGB-Kontrolle seitens der Gerichte. Die rechtssichere Gestaltung solcher Vereinbarungen erfordert daher großes und umfangreiches Know-How. Sollte ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden sein, so ist dieser bei einer Einführung oder Änderung von solchen Vergütungssystemen im Betrieb zu beteiligen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG).

Für weitergehende Informationen zum Thema „erfolgsabhängige Vergütung“, „Zielerreichungsprämien“, „variable Vergütungsbestandteile“ und insbesondere die Gestaltung entsprechender Vertragsformulierungen stehen wir, die Rechtsanwälte Wagner + Gräf, Ihnen gerne zur Verfügung.

Martin Hentschel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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