Soziale Netzwerke wie Facebook oder X (ehemals Twitter) sind längst nicht mehr nur Plattformen für den privaten Austausch. Auch Äußerungen mit politischem oder gesellschaftlichem Bezug finden dort täglich ein breites Publikum – oft ohne dass sich die Verfasser der möglichen Konsequenzen bewusst sind. Was für Einzelne als freie Meinungsäußerung gedacht ist, kann für Unternehmen schnell zum arbeitsrechtlichen Problem werden – insbesondere dann, wenn Inhalte diskriminierend, beleidigend oder extremistisch erscheinen und sich Rückschlüsse auf das Arbeitsverhältnis bzw. den Arbeitgeber ziehen lassen.
Mit dieser Problematik sah sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Az. 3 Sa 313/24) in einem Verfahren konfrontiert, in dem über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines langjährig beschäftigten Mitarbeiters zu entscheiden war. Der Arbeitnehmer war seit 2017 bei der Arbeitgeberin (Z. AG) bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Im Laufe der Zeit hatte er auf seinem Facebook-Profil unter dem Punkt „Lebensereignisse“ selbst angegeben, für das Unternehmen tätig zu sein.
Private Facebook-Posts mit arbeitsrechtlicher Tragweite?
Im Oktober 2023 veröffentlichte der Mitarbeiter auf seinem privaten Facebook-Account mehrere antisemitische Beiträge, darunter unter seinem Klarnamen die Frage nach der „nächsten Demo gegen Juden in NRW“ sowie die Bezeichnung einer antisemitisch und gewaltsam agierenden Menschenmenge als „Ehrenmänner“. Letzteres bezog sich auf einen Vorfall am Flughafen in Dagestan, bei dem 20 israelische Passagiere gezielt gesucht und verletzt worden waren. Obwohl die Beiträge in der Freizeit und ohne betriebliche Ressourcen gepostet wurden, war eine Verbindung zum Arbeitgeber durch frühere Profilangaben herstellbar.
Die Beiträge wurden über eine interne Meldestelle an den Mutterkonzern der Arbeitgeberin weitergegeben. Die Äußerungen wurden dem Mitarbeiter eindeutig zugeordnet, woraufhin ihm am 15.11.2023 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.01.2024 gekündigt wurde. Die Arbeitgeberin berief sich dabei auf einen erheblichen Verstoß gegen interne Verhaltensrichtlinien (Business Conduct Guidelines – BCG), die insbesondere diskriminierendes Verhalten verbieten und arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Verstößen vorsehen.
Der Streit in erster Instanz
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und argumentierte, seine Äußerungen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt und hätten keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis. In erster Instanz hatte er damit Erfolg. Das Arbeitsgericht sah keine ausreichende betriebliche Relevanz des Verhaltens, da keine unmittelbare Störung im Betrieb der Arbeitgeberin nachgewiesen werden konnte und der Mitarbeiter keine repräsentative Funktion im Unternehmen hatte.
Kein Schutz durch die Meinungsfreiheit bei menschenverachtenden Inhalten
Die Arbeitgeberin machte in der Berufungsinstanz geltend, dass die Äußerungen des Mitarbeiters auf Facebook – insbesondere die Billigung der gewaltsamen Ereignisse am Flughafen in Dagestan und die dortigen antisemitischen Konnotationen – nicht mehr vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst seien. Das Berufungsgericht prüfte die strafrechtliche Relevanz der Aussagen differenziert: Während der erste Post (Demo-Aufruf) zwar grenzwertig, aber noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei, könne die zweite Äußerung – die Billigung eines antisemitischen Übergriffs mit der Bezeichnung der Täter als „Ehrenmänner“ – durchaus den Straftatbestand der Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) erfüllen. Selbst wenn die strafrechtliche Schwelle nicht eindeutig überschritten sei, handele es sich nach Ansicht des Gerichts dennoch um menschenverachtende und antisemitische Aussagen, die arbeitsrechtlich erheblich ins Gewicht fielen. Eine solche Äußerung könne auch ohne Strafbarkeit eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten darstellen.
Verstoß gegen Compliance-Richtlinien als Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis
Die Arbeitgeberin betonte, dass der Mitarbeiter mit seinen Äußerungen gegen die in der Arbeitsordnung verankerten Business Conduct Guidelines (BCG) verstoßen habe. Diese verpflichten alle Beschäftigten zur Wahrung des Ansehens des Unternehmens sowie zur Unterlassung diskriminierender Verhaltensweisen. Die Äußerungen des Mitarbeiters stünden im Widerspruch zu diesen Grundsätzen. Das Gericht erkannte grundsätzlich an, dass solche internen Richtlinien bei der Beurteilung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten eine Rolle spielen können. Jedoch genügt der bloße Verweis auf allgemeine Verhaltensrichtlinien nicht für die Annahme einer arbeitsrechtlichen Pflichtverletzung im außerdienstlichen Bereich – zumindest nicht ohne konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis und ohne vorherige Abmahnung. Eine Abmahnung könne in der Regel nur dann entfallen, wenn dem Arbeitnehmer klar erkennbar gewesen sein müsse, dass sein Verhalten zur sofortigen Kündigung führen würde – was das Gericht hier verneinte.
Reputationsrisiko durch Social Media: Außenwirkung trotz veralteter Profilangabe
Ein weiterer zentraler Punkt der Berufungsbegründung war die Annahme, dass die Facebook-Posts eine konkrete Außenwirkung entfaltet hätten, obwohl im Profil des Mitarbeiters lediglich die frühere Arbeitgeberin (Z. AG) angegeben war. Die Arbeitgeberin argumentierte, dass in der öffentlichen Wahrnehmung kein Unterschied zwischen den rechtlich selbstständigen Gesellschaften gemacht werde – „Z. gleich Z.“. Aufgrund der Konzernstruktur und des weiter verwendeten Markennamens könne die Marke insgesamt durch das Verhalten des Mitarbeiters geschädigt werden. Das Berufungsgericht erkannte diese Argumentation im Grundsatz an: Die öffentliche Verknüpfung zwischen den Äußerungen des Mitarbeiters und der Unternehmensmarke war durch die frühere Profilangabe objektiv nachvollziehbar. Auch die Reaktion von Dritten – etwa die Meldung an den Konzern und die Presseanfrage – belege eine tatsächliche Außenwirkung. Gleichwohl stellte das Gericht fest, dass der Verstoß allein nicht ausreiche, um eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Es habe sich um ein steuerbares Verhalten gehandelt, das durch eine Abmahnung künftig vermeidbar gewesen wäre.
Fazit
Trotz der menschenverachtenden und antisemitischen Inhalte der Facebook-Posts hat das LAG Düsseldorf die Kündigungen für unwirksam erklärt. Zwar sah das Gericht eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht als gegeben an, allerdings reichte dieser Pflichtverstoß nicht aus, um eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.
Arbeitgebern, die den sicheren Weg gehen wollen, ist daher zu empfehlen, vor dem Ausspruch einer Kündigung wegen eines menschenverachtenden oder sonstigen verletzenden Postings eine Abmahnung auszusprechen.
Ein Beitrag von Antonia Obert, juristische Mitarbeiterin unserer Kanzlei, und Moritz Schulte, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht