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Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld trotz Freiwilligkeitsvorbehalt?

Viele Arbeitgeber leisten an ihre Arbeitnehmer zusätzlich zum Gehalt Sonderzahlungen, mit denen Betriebstreue und/oder besondere Leistungen von Arbeitnehmern honoriert werden sollen. Oft erfolgen solche Sonderzahlungen oder Gratifikationen auch in Form eines Urlaubs- oder Weihnachtsgeldes. Mangels konkreter Regelung dieser Zahlungen im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag führt die Freiwilligkeit solcher Leistungen, auf die sich Arbeitgeber oftmals berufen, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern seit vielen Jahren zu immer wiederkehrenden Streitigkeiten.

Erst im Januar 2023 wurde das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage konfrontiert, ob ein Arbeitnehmer trotz eines mit dem Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalts, ein vom Arbeitgeber nicht bezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld verlangen kann.

Der Kläger war als Arbeitnehmer seit 18.07.2014 im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Am 12.01.2015 schlossen der Kläger und die Beklagte einen Arbeitsvertrag, in dem unter anderem geregelt ist: „Die Zahlung von Sonderzuwendungen, insbesondere von Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld, liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt“. In einer weiteren Klausel, einer sogenannten einfachen Schriftformklausel, ist vereinbart: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform“.

Unstreitig wurde von der Beklagten in den Kalenderjahren 2015 bis 2019 jährlich an die gesamte Belegschaft ohne weitere Erklärungen Urlaubs- als auch Weihnachtsgeld zusätzlich zum jeweiligen Gehalt ausgezahlt. Im Jahr 2020 erfolgte keine Auszahlung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld. Diese Leistungen sollten nach einer an die Arbeitnehmer gerichteten Erklärung der Beklagten durch einen „KPI- Jahresbonus als Sonderzuwendung“ ersetzt werden.

Der Kläger verlangte von der Beklagten, seinem Arbeitgeber, die Auszahlung des Urlaubs- sowie des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2020. Er berief sich hierbei auf einen Anspruch aus betrieblicher Übung. Das BAG folgte der Argumentation des Klägers und gab ihm im Ergebnis Recht.

Dadurch dass der Arbeitgeber mehrfach jährlich und ohne die Erklärung eines entsprechenden Vorbehalts Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld an den Kläger ausgezahlt hatte, war zugunsten des Klägers ein Anspruch aus betrieblicher Übung entstanden, der auch die in die Zukunft reichende regelmäßige Auszahlung dieser Sonderzahlungen zum Inhalt hat. Aufgrund der regelmäßigen Praxis in der Vergangenheit konnte der Kläger auf die weiteren Zahlungen von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld auch in der Zukunft vertrauen.

Die Gestaltung der Regelung des Freiwilligkeitsvorbehalts und der Schriftformklausel im Arbeitsvertrag, auf die sich der Arbeitgeber im Rechtsstreit berief, waren nicht ausreichend, um den Anspruch des Arbeitnehmers zu verneinen. Auch waren im Zusammenhang mit der jeweiligen Auszahlung in der Vergangenheit keine Hinweise bzw. Informationen des Arbeitgebers zur Freiwilligkeit der Zahlungen von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld erfolgt, weder im Rahmen eines Schreibens an den Kläger noch im Rahmen der jeweiligen Entgeltabrechnung.

Nach der Ansicht des BAG standen dem Anspruch des Klägers weder der im Arbeitsvertrag vorgesehene Freiwilligkeitsvorbehalt noch die Schriftformklausel, auf die sich die Arbeitgeberin im Rechtsstreit erfolglos bezogen hatte, entgegen. Dies aufgrund dessen, dass die arbeitsvertraglichen Regelungen auch Individualabreden ausschließen und den Kläger hierdurch unangemessen benachteiligen würden. Der Anspruch des Klägers wurde auch nicht durch den von der Beklagten vorgesehenen „KPI-Jahresbonus“ ersetzt.

Die Entscheidung des BAG zeigt erneut, dass Arbeitgeber im Umgang mit Sonderzahlungen, unter anderem bei der Formulierung entsprechender Vertragsklauseln, besondere Vorsicht walten lassen sollten. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hingegen haben – ungeachtet ausdrücklicher arbeitsvertraglicher Regelung – bei dem Vorliegen der Voraussetzungen einer betrieblichen Übung regelmäßig gute Chancen, Ansprüche auf Zahlung von Sondervergütungen, wie Urlaubsgeld und/oder Weihnachtsgeld, durchsetzen zu können.

Für weitergehende Informationen, insbesondere für die Prüfung und Gestaltung von Arbeitsvertragsmustern und Arbeitsverträgen stehen wir, die Rechtsanwälte Wagner + Gräf, Ihnen gerne zur Verfügung.

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