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Wirksame Tantiemen-Regelungen: Das BAG deckt Schwachstellen auf

In der Arbeitswelt werden häufig Zielvereinbarungen geschlossen, um Beschäftigte zu motivieren und ihre Leistung durch eine zusätzliche Vergütung zu honorieren, sobald vereinbarte Ziele erreicht sind. Wie hoch die Tantieme letztlich ausfällt und ob sie – gegebenenfalls anteilig – ausgezahlt wird, können die Parteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit selbst bestimmen. Werden Arbeitsverträge jedoch einseitig vorformuliert in die Verhandlungen eingebracht, unterliegen sie einer AGB-Kontrolle. Diese dient vorrangig dazu, die schwächere Partei, also den Arbeitnehmer, vor einer unangemessenen Benachteiligung zu schützen. Welche Anforderungen und Grenzen sich rund um den Abschluss einer solchen Zielvereinbarung ergeben, hat kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil (Az. 10 AZR 171/23) verdeutlicht.

Der Sachverhalt im Überblick

Der Kläger begehrte die Tantieme, die ihm arbeitsvertraglich in „§ 4 Vergütung, freiwillige Leistungen“ zugesichert wurde, für das Jahr 2020. Die Auszahlung der Tantieme war dabei an das Erreichen bestimmter Ziele geknüpft, die im laufenden Jahr durch eine Zielvereinbarung festgelegt werden sollten. Für den Fall, dass keine Einigung erzielt werden kann, sollte die Arbeitgeberin berechtigt sein, die Ziele einseitig nach billigem Ermessen vorzugeben.

Arbeitnehmer und Arbeitgeberin führten hierzu einen regen E-Mail-Austausch, um geeignete Ziele abzustimmen. Diese Gespräche wurden jedoch von der Arbeitgeberin beendet, die daraufhin die Ziele einseitig vorgab (sog. Zielvorgabe). Die Klägerseite bezweifelte allerdings, ob die Arbeitgeberin tatsächlich ernsthaft versucht hatte, eine einvernehmliche Lösung zu finden, da die Vorschläge des Arbeitnehmers überwiegend zurückgewiesen wurden.

Das BAG hatte daher Anlass, die maßgeblichen Klauseln im Arbeitsvertrag genauer zu untersuchen. 

Zielvorgabe statt Zielvereinbarung?

Der Kläger stützte seinen Anspruch auf die folgende arbeitsvertragliche Regelung:

„Die Festlegung einer Tantieme und deren Höhe hängen von dem Erreichen von Zielen ab, deren drei wesentliche Kriterien jedes Jahr […] zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden. Sollten die drei Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben.“

Das Gericht erklärte diese Klausel für unzulässig, weil sie der Arbeitgeberin die Möglichkeit einräumt, die vertraglich vorgesehene Reihenfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu umgehen. Der Arbeitnehmer hätte keine Möglichkeit, dies zu verhindern. Konkret fehlt in der Klausel jegliche Pflicht, das Scheitern der Verhandlungen über eine Zielvereinbarung zu begründen. Dadurch könnte die Arbeitgeberin Verhandlungen grundlos verweigern, ohne dies rechtfertigen zu müssen.

Hinzu kommt, dass in der Klausel keine konkreten Maßgaben für die auszuhandelnden Ziele enthalten sind, was der Arbeitgeberin einen weitreichenden Gestaltungsspielraum eröffnet. Eine solche Formulierung – so das Gericht – benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und darf daher nicht Teil des Arbeitsvertrags sein.

Ausschluss des Rechtsanspruchs

Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel zum Anspruchsausschluss, auf den sich die Arbeitgeberin berief:

„Ein Rechtsanspruch auf eine Tantieme besteht nicht. Wird dem Mitarbeiter eine Tantieme gewährt, erfolgt dies freiwillig mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung kein Rechtsanspruch, weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch die Zukunft, begründet wird.“

Das BAG befasste sich außerdem mit der Frage, ob der oben zitierte Passus den Anspruch des Klägers tatsächlich ausschließen könnte. Hier ging es neben der möglichen unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers auch um das Gebot von Treu und Glauben.

Nach Auffassung des Gerichts besitzt eine Tantieme stets den Charakter eines arbeitsleistungsbezogenen Entgelts, da sie das Erreichen bestimmter Ziele honoriert und Anreize für besondere Leistungen schafft. Im Lichte des arbeitsrechtlichen Grundprinzips, wonach der Arbeitgeber für geleistete Arbeit das vereinbarte Entgelt zu zahlen hat, erweist sich ein wie oben formulierter Ausschluss als unzulässig.

Stichtagsregelung

Der Vertrag sah zudem die Verpflichtung vor, eine Tantieme unter bestimmten Voraussetzungen zurückzuzahlen:

„Eine Tantiemen- oder Sonderzahlung ist zurückzugewähren, wenn das Anstellungsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach Auszahlung seine Beendigung – gleich aus welchem Rechtsgrund – findet.“

Auch diese Rückzahlungsklausel für die Tantieme wurde vom BAG auf ihre Wirksamkeit hin geprüft. Wäre sie wirksam, hätte der Kläger die Tantieme wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Jahresende 2020 zurückzahlen müssen. Allerdings widerspricht auch diese Regelung nach Ansicht des Gerichts dem zentralen Grundgedanken des Arbeitsrechts.

Die Vergütung für bereits erbrachte Leistungen – dazu zählt auch das Erreichen arbeitgeberseitig festgelegter Ziele – nachträglich zu entziehen, ist in jeder Hinsicht unzulässig.

Fazit: Worauf Arbeitgeber und Arbeitnehmer achten sollten

Die rechtssichere Gestaltung von Arbeitsverträgen ist anspruchsvoll. Arbeitgeber nutzen Klauseln häufig, um ihre Interessen durchzusetzen, ohne zu bedenken, dass eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers unzulässig ist. Deutsche Arbeitsgerichte konkretisieren bereits seit Jahrzehnten, welche Formulierungen erlaubt sind und welche nicht. Arbeitnehmer sollten sich zudem bewusst sein, dass das deutsche Recht sie als schwächere Vertragspartei in besonderem Maße schützt.

  • Tipp für Arbeitgeber: Formulieren Sie Zielvereinbarungen transparent und begründen Sie das Scheitern von Verhandlungen klar, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
  • Tipp für Arbeitnehmer: Überprüfen Sie Ihren Arbeitsvertrag oder anstehende Änderungen kritisch. Lassen Sie sich bei Unklarheiten im Hinblick auf Tantiemen-Regelungen, Zielvorgaben oder Stichtagsklauseln professionell beraten.

Sollten Sie auf Unstimmigkeiten in Ihrem Arbeitsvertrag stoßen oder demnächst einen neuen Arbeitsvertrag aufsetzen bzw. unterschreiben wollen, stehen wir, die Rechtsanwälte Wagner + Gräf, Ihnen gerne beratend zur Seite.

Ein Beitrag von Antonia Obert, juristische Mitarbeiterin unserer Kanzlei, und Moritz Schulte, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Autorin
Antonia Obert

Juristische Mitarbeiterin

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